19.02.2025

Gemeinschaftspraxis mit klaren Strukturen

Interview: Plandent-Praxisplaner Michael Ihlein über Selbstreflexion, Kommunikation und Pragmatismus bei der Praxisplanung

Michael Ihlein hat sich auf die Fachplanung und das Interior Design von zahnmedizinischen Praxen und Laboren spezialisiert. Als Praxisplaner bei Plandent hat er in enger Zusammenarbeit mit den Zahnärzten Dr. Jürgen Kugel und dr. Marcel Kroll eine technisch komplexe Praxis entwickelt, die den Workflow des Praxisteams optimal abbildet. Minimalistisches Design und individuelle Lösungen machen den besonderen Charakter dieser neugegründeten Gemeinschaftspraxis in Eutingen bei Pforzheim aus. Über Besonderheiten und Highlights des Projekts spricht Praxisplaner Michael Ihlein im Interview.

Herr Ihlein, Sie haben die neue Praxis von Dr. Kugel und dr. Kroll maßgeblich mitgestaltet. Mit welchen Aufgaben waren Sie bei diesem Projekt hauptsächlich betraut? 

In enger Absprache mit den Ärzten habe ich das innenarchitektonische Gesamtkonzept entwickelt – unter Berücksichtigung von Ergonomie, behördlichen Auflagen und Hygieneanforderungen. Ganz konkret lagen meine Hauptaufgaben in der Raumaufteilung, in der technischen Planung und in der gestalterischen Beratung der Praxis. Unter der Prämisse, einen sinnvollen Workflow abzubilden, habe ich mich um die komplette Innenarchitektur und die Baubetreuung gekümmert. 

Die beiden Zahnärzte hatten bereits recht konkrete Vorstellungen von ihrer Wunschpraxis. Wie haben Sie deren Visionen in die räumliche Gestaltung integriert? 

Dr. Kugel, der erfahrene Senior-Partner, hat die Praxis schon vor über 20 Jahren von seinem Vater übernommen. Er hatte bereits sehr genaue Vorstellungen davon, wie er zukünftig arbeiten möchte. Diese Vorstellungen habe ich aufgenommen und auf dieser Basis einen praktischen Grundriss entwickelt, sodass die Abläufe stimmig sind: vom Eintritt des Patienten zur Rezeption und von dort ins Wartezimmer und zu den Behandlungszimmern. Genauso wichtig war es, den optimalen Workflow für die Praxismitarbeiter darzustellen, damit sie keine unnötigen Gänge machen müssen. Alle diese individuellen Arbeitsabläufe habe ich im Grundriss nachvollziehbar vereint. 

„Weniger ist mehr“ lautete die Design-Devise der Zahnärzte. Wie sind Sie mit dieser Vorgabe zurechtgekommen und welche konkreten Vorschläge haben Sie auf dieser Basis entwickelt? 

Die Ärzte bevorzugten klare Strukturen. Somit habe ich eine sachlich-klare Gestaltung ausgearbeitet, die sich auch so im Grundriss zeigt: Die Raumfolgen sind geradlinig und gut gegliedert. Daran wurde auch das Lichtkonzept angepasst, aufgelockert durch runde Leuchten. Diese klaren Strukturen ziehen sich durch das gesamte Praxiskonzept. 

Stammt das Lichtkonzept auch von Plandent?

Aufgrund der langjährigen Erfahrung auf dem Gebiet der Praxisgestaltung und -einrichtung verfügt Plandent über ein großes Netzwerk an Spezialisten. Somit können wir für angrenzende Bereiche, zum Beispiel die individuelle Anfertigung von Möbeln, immer einen zuverlässigen Partner heranziehen. Auch für das Lichtkonzept haben wir einen Partner vermittelt, der auf Praxisbeleuchtung spezialisiert ist. Ein stimmiges Lichtkonzept zu entwickeln, läuft natürlich in enger Abstimmung: Ich stelle den Lichtexperten mein Konzept vor, damit wir Hand in Hand arbeiten und kein Chaos entsteht. Insbesondere bei diesem Projekt war ja eine klare Linie gewünscht.

Die Praxis verfügt über eine hochmoderne technische Ausstattung, mit besonderem Fokus auf Redundanz. Wie sind Sie die Planung dieser technischen Ausrüstung angegangen, um den Anforderungen gerecht zu werden? 

Die Absaugung und Druckluftversorgung wurden redundant ausgelegt, um bei Ausfällen eine durchgehende Nutzung sicherzustellen. Dieser Wunsch war Dr. Kugel besonders wichtig, daher haben wir es wunschgemäß in die technische Installationsplanung eingebracht. Ob sich so ein Vorhaben realisieren lässt, hängt natürlich immer auch von den örtlichen Gegebenheiten ab. Können wir die Leitungen dementsprechend verlegen? Haben wir genügend Platz, um die Geräte aufzustellen? In diesem Fall reichte der Platz aus und wir konnten den Ausfallplan so umsetzen.

Behandlungseinheit KaVo Primus 1058

Die Praxis Dr. Kugel & dr. Kroll verfügt über eine hochmoderne technische Ausstattung

Wie finden Sie als Praxisplaner das Gleichgewicht zwischen Kundenwünschen, eigenen Optimierungsvorschlägen und technischen oder baulichen Anforderungen? 

Jede Praxis ist einzigartig. Das Wichtigste ist immer ein Gespräch, in dem der Fokus darauf liegt, die Persönlichkeit des Gegenübers zu erfassen und die individuellen Wünsche an die Praxis zu ermitteln. Die Vorstellungen variieren auch abhängig vom Standort und der Fachrichtung: Eine kieferorthopädische Praxis braucht eine andere Planung als eine allgemeine zahnärztliche Praxis oder eine MKG-chirurgische Praxis. 

Grob gesagt muss eine Zahnarztpraxis wie ein Uhrwerk funktionieren. Die Gestaltung kommt on top. Somit gibt es vor allem viel Technik, die geplant werden muss. Die Anforderungen sind also in erster Linie pragmatischer Natur: Die Abläufe müssen passen. Diese notwendigen technischen Funktionsabläufe müssen immer realisiert werden. Die individuelle Gestaltung der Praxis ist dann ein Entwicklungsprozess, bei dem viele Einflüsse eine Rolle spielen. 

Und diese verschiedenen Strömungen gilt es stimmig zu vereinen. Natürlich müssen auch die baulichen Gegebenheiten mitspielen: Eine Praxis lässt sich nur abhängig vom Gebäude planen. So ein Entwicklungsprozess läuft dann häufig über zwei Jahre, bis das Projekt abgeschlossen ist. Wichtig ist, während der gesamten Zeit immer miteinander im Austausch zu bleiben und flexibel auf eventuelle Änderungen zu reagieren und Anpassungen vorzunehmen. 

In diesem Fall waren die Vorgespräche sowie ein Gang durch die Bestandspraxis sehr aufschlussreich. Optimal war es, dass Dr. Kugel seine bisherige Arbeitsweise bewusst wahrgenommen und reflektiert hat. So konnte er zielgerichtet benennen, wo er sich in der neuen Praxis Veränderungen wünscht. Diese Wünsche und Vorstellungen ließ ich in meine Planung einfließen. 

Jedes neue Praxisprojekt ist sicherlich inspirierend für künftige Projekte. Welche Innovationen nehmen Sie als besonderes Highlight aus diesem Projekt mit? 

Ein Highlight war für mich die Modularität, die die Ärzte aufbauen wollten: Das PC-Terminal in Kombination mit der Cart-Garage, wo die fertig bestückten Carts für jede Behandlung stehen, finde ich sehr zweckmäßig. Durch die zentrale Lage des Terminals kann jeder aus dem Team immer darauf zugreifen. Bevor es also ins Behandlungszimmer geht, verschaffen sich die Ärzte einen kurzen Überblick über den Patienten. Welche Behandlung steht an? Welche medizinische Vorgeschichte gibt es? Wie begrüße ich diesen Patienten richtig? Mit diesem kurzen Vorab-Check gehen die Ärzte sicherer ins Behandlungszimmer und auch die Patient*innen fühlen sich gut aufgehoben. Das habe ich als gute Anregung mitgenommen.

Diese Modularität zieht sich durch, vom Flur bis in die Behandlungszimmer, die alle gleich aufgebaut sind: Die identische Einrichtung der Zimmer bringt auch gleiche Griffwege mit sich, das ist sehr gut durchdacht. Das Konzept ist nicht neu, aber in der Praxis Dr. Kugel & dr. Kroll wurde es sehr konsequent umgesetzt. Somit kann jeder in jedem Zimmer arbeiten und auch problemlos auf ein anderes Zimmer ausweichen. Das ist die großartige Chance, wenn man eine Praxis neu konzipiert: Solche Strukturen und Abläufe lassen sich bei der Gelegenheit einmal komplett durchdenken. 

Was war für Sie das Besondere an diesem Projekt? 

Die Chemie zwischen uns hat einfach gestimmt – das war wirklich ganz besonders. Beide waren sehr flexibel, wenn irgendwo Probleme aufgetaucht sind, zum Beispiel, wenn sich eine Leitung nicht wie geplant verlegen ließ und ein Raum deshalb anders aufgebaut werden musste. Alle Beteiligten haben Lösungsvorschläge eingebracht und die beiden haben schnell, flexibel und lösungsorientiert ihre Entscheidungen getroffen. Das fand ich sehr, sehr angenehm und auch besonders. 

Was ist Ihnen besonders wichtig, wenn Sie ein Planungsprojekt wie dieses angehen und Zahnärzt*innen auf dem Weg zur neuen Praxis begleiten? 

Besonders wichtig ist mir ein intensiver Austausch – und zwar schon im Vorfeld, bevor die eigentliche Planung beginnt. Ich möchte die persönlichen Wünsche und Erwartungen des Kunden kennenlernen und seine Individualität erfassen. Auch der Kunde soll in diesem Austausch Vertrauen zu mir aufbauen können, sodass er auch ein Stück weit loslassen kann. Denn wenn ich später Gestaltungsvorschläge machen, kann der Kunde diese nur annehmen, wenn ein Vertrauensverhältnis zwischen uns besteht.

Flur in der Praxis Dr. Kugel & dr. Kroll

Minimalistisches Design macht den besonderen Charakter der Gemeinschaftspraxis aus

Welche Trends und Entwicklungen sehen Sie in der Planung und Gestaltung von Zahnarztpraxen für die Zukunft? 

Die Zahnmedizin wird insgesamt deutlich weiblicher. Die zunehmende Zahl von Ärztinnen führt zu mehr Gemeinschaftspraxen mit flexibleren Arbeitszeiten. Diese Praxismodelle bringen auch andere Führungsstrukturen mit sich. Häufig gibt es nicht mehr den einen Chef, der das Sagen hat, sondern beispielsweise drei gleichberechtigte Ärztinnen in der Praxis. Das erfordert einen anderen, kooperativeren Umgang miteinander. 

Auch die Personalfindung ist in diesen Konstellationen ein wichtiger Punkt, der auch uns Gestalter betrifft: Die Personalräume werden zunehmend komfortabler gestaltet, um Mitarbeiter zu binden. Zudem müssen gut ausgestattete Räumlichkeiten für gemeinsame Gespräche mit den Mitarbeitern und für Schulungen geschaffen werden. Die Planung einer Zahnarztpraxis geht also weit über die zweckmäßige, funktionale Einrichtung hinaus und diese Bedürfnisse ändern sich immer mehr. 

Es gibt mehr Zusammenschlüsse und der Trend geht zu größeren Praxen. Die Themen Personalfindung und Führung werden weiblicher. Das Thema Wohlfühlatmosphäre wird ebenfalls wichtiger. Wie viel Wert Praxisbetreiber auf ein individuelles Erscheinungsbild legen, hängt natürlich auch vom Standort ab. Auf dem Land ist die Unterscheidung von Marktbegleitern nicht so nötig wie in einer größeren Stadt, wo sich mehr Praxen, dichter beieinander, um Mitarbeiter*innen bemühen.

Welchen Rat würden Sie Zahnärzt*innen geben, die darüber nachdenken, ihre Praxis neu zu gestalten oder umzubauen?

Die Kunden sollten sich selbst darüber im Klaren sein, was sie eigentlich wollen. Warum will ich eine Veränderung? Was will ich mit meiner neuen Praxis ausdrücken? Möchte ich nur meine fachliche Kompetenz zum Ausdruck bringen oder auch meine Persönlichkeit oder eine innere Haltung? 

Um diese Klarheit zu erlangen, sollten Praxisbetreiber offen ihre Umgebung betrachten. Was gefällt mir überhaupt? Das geht schon in der Kneipe los: Wenn sie sich wohlfühlen, sollen sie sich mal überlegen, woran das liegt. Warum gefällt mir die Stimmung da? Ich empfehle immer, einfach mal ein Bild zu machen von der Umgebung, vom Fußboden, von der Beleuchtung. Sich selbst zu beobachten, was einem gefällt und was nicht und eine Sammlung dazu anzulegen. 

Ebenfalls hilfreich ist es, sich andere Praxen anzuschauen. Das geht ja bereits mit dem Ankommen los: Wie ist das Treppenhaus gestaltet? Wie werde ich empfangen?

Wie ist die Atmosphäre? Wie ist die Beleuchtung? Ich empfehle, da einfach mal reinzuschnuppern, Stimmungen aufzunehmen und auch wirklich zu dokumentieren, was einem daran gefällt und was nicht. Oder man schaut einfach im Internet: Auf Instagram, Pinterest oder auf anderen Praxiswebsites – das ist ja doch immer der bequemste Weg. So entwickelt man ein Gespür für den eigenen Geschmack und die Ansprüche an die eigene Praxis. Sobald man sich dann fachlich Unterstützung geholt hat und in den Austausch mit seinem Praxisplaner geht, kommt man viel schneller ins Gespräch und ans Ziel. 

Vielen Dank für das Gespräch!

Bilder: Plandent/Dr. Kugel & dr. Kroll

Text: Maria Reitzki