Hat man sich entschieden, als Zahnärztin oder Zahnarzt eine eigene Praxis zu eröffnen, steht gleich die nächste große Frage an: Gründe ich eine neue Praxis oder übernehme ich eine bestehende Zahnarztpraxis? Eines können wir hier vorwegnehmen: Ein Richtig oder Falsch gibt es bei der Entscheidung für die Niederlassungsform nicht – beide Möglichkeiten haben Vorteile, weiß Norbert Möll, Existenzgründungsberater beim Handels- und Dienstleistungsunternehmen NWD in Stuttgart.
Wie entscheide ich mich für eine Neugründung oder eine Praxisübernahme?
Ob die Übernahme einer Zahnarztpraxis oder eine Praxisgründung besser passt, ist immer typabhängig und oft eine Abwägungssache nach längeren Phasen des Vergleichens. Zudem spielen hier die Erfahrungen, die dann teilweise über Monate und sogar Jahre gesammelt werden, eine große Rolle und tragen letztendlich für jeden individuell zur richtigen Entscheidung bei.
Was spricht denn für eine Übernahme?
Größter Vorteil, wenn man eine Zahnarztpraxis kauft und übernimmt, ist sicherlich, dass man hier von Anfang an voll durchstarten kann, Umsätze bzw. Einnahmen erzielt und auch die Kosten aus den Erfahrungswerten gut einschätzbar sind. Die voraussichtlichen Umsätze und Kosten kann man im Vorfeld anhand der betriebswirtschaftlichen Auswertungen der letzten Jahre ermitteln. Außerdem übernimmt man ein eingespieltes Praxisteam, das sich schon gut kennt, und eine Praxis, die bereits am Markt etabliert ist und über einen Patientenstamm verfügt. So hat man vom ersten Moment an gut zu tun und das Gefühl, dass es vom ersten Tag an läuft. Im Vorhinein empfehle ich, den Patientenstamm zu analysieren. Denn was nützt es mir, Geld für Patient*innen zu bezahlen, wenn diese später abwandern, weil die Patientenstruktur nicht zu mir als Zahnarzt oder Zahnärztin und der Ausrichtung der Praxis passt.
Und wie sieht es in finanzieller Hinsicht aus?
Besonders zu beachten gilt es bei der Praxisübernahme, ob Investitionsstaus oder Altlasten, die auf den ersten Blick oft gar nicht zu erkennen sind, vorhanden sind. Das kann sich im schlechtesten Fall als eine teure Angelegenheit im Nachgang erweisen, was aus meiner Sicht unbedingt vermieden werden sollte.
Auch ist es augenscheinlich finanziell häufig erst einmal günstiger, eine Zahnarztpraxis zu übernehmen. Während die Neugründung einer Einzelpraxis im Jahr 2019 durchschnittlich 557.000 Euro kostete, lag das Finanzierungsvolumen für die Übernahme einer Einzelpraxis laut IDZ im Schnitt bei 410.000 Euro. Grundsätzlich lohnt sich ein genauerer Blick in alle Richtungen. Denn nach einigen Jahren sind bei einer Praxisübernahme oft Re-Investitionen nötig, etwa weil die Geräte modernisiert oder auch Investitionen für die technischen Voraussetzungen getätigt werden müssen.
Gut zu wissen: Nach ungefähr fünf Jahren liegen die Investitionsvolumen auf demselben Niveau – unabhängig von Übernahme oder Praxisgründung. Das ist vielen gar nicht bewusst.
Mit einer sorgfältigen Planung und einer durchdachten Strategie steht einem erfolgreichen Praxisstart nichts mehr im Weg.
Wie kann ich den Kaufpreis realistisch einschätzen?
Wichtig ist es, den Kaufpreis richtig und auch marktgerecht einzuordnen. Denn der Kaufpreis für eine Zahnarztpraxis errechnet sich nicht nur anhand des materiellen Wertes der Einrichtung und der Geräte, sondern besteht auch aus einer Zahlung für den zu übernehmenden Patientenstamm und anderen „weichen“ Faktoren. Dies ist der sogenannte „Goodwill“, der für den immateriellen Wert des Patientenstammes gezahlt wird. Hier empfiehlt es sich, ein Praxiswertgutachten erstellen zu lassen, um eine neutrale Einschätzung für die Verhandlungen zu haben.
Gerade im ländlichen Raum rate ich immer, den Abgeber oder die Abgeberin als Verbündete zu sehen und deshalb die Verhandlungen nicht überzustrapazieren. Denn gerade in kleinen Städten und Gemeinden sind Praxisabgeber*innen gut vernetzt und fungieren als Botschafter, die dann natürlich idealerweise positiv über ihre*n Nachfolger*in sprechen. Das sollte man nicht unterschätzen.
Bei einer Praxisübernahme kann ich also auf vieles schon aufbauen?
Ich persönlich habe es schon oft erlebt, dass viele junge Zahnärzt*innen erst damit geliebäugelt haben, eine Praxis zu kaufen und sich dann doch für eine Neugründung entschieden haben. Und alle waren danach froh und dankbar, diesen Schritt gemacht zu haben. In den Augen vieler Existenzgründer*innen gibt eine Praxisübernahme ein ‚Mehr‘ an Sicherheit – in vielen Fällen ist sie aber auch mit etlichen Kompromissen verbunden. Wichtig zu wissen: Grundsätzlich gibt es eine stabile Nachfrage nach zahnmedizinischen Leistungen. Wenn wir als Depot die Existenzgründer*innen sprichwörtlich an die Hand nehmen, fachlich und betriebswirtschaftlich begleiten, gibt das Sicherheit. Denn wir betreuen jedes Jahr viele erfolgreiche Existenzgründungen.
Welche Vorteile hat denn eine Neugründung?
Wenn man selbst eine eigene Zahnarztpraxis gründet, kann man von Anfang an seine Ideen umsetzen und muss viel weniger Kompromisse eingehen – vom Praxisstandort über das Praxiskonzept, die Einrichtung und Gestaltung, was Farben und Formen anbelangt, bis hin zum Praxismarketing. Ich kann der Praxis vom ersten Tag an meinen persönlichen Stempel aufdrücken – und das im positiven Sinne. Die Gründung einer Zahnarztpraxis wird sozusagen zu meinem persönlichen Lebensprojekt, mit dem ich meine Persönlichkeit ausdrücken und mich voll entfalten kann.
Und wenn die Patient*innen merken, dass ich mich voll und ganz damit identifiziere und bei allem voll und ganz dahinterstehe, wirkt sich das im Unterbewusstsein sehr positiv auf die Stimmung bei allen aus.
Nicht nur beim Design der Praxis lassen sich persönliche Ideen umsetzen, auch beim Praxismarketing ist man völlig frei und kann Logo, Website oder Terminkärtchen nach eigenen Wünschen gestalten und ist nicht an vorgegebene Layouts gebunden.
Und wie sieht es mit der Personalsuche für eine neugegründete Zahnarztpraxis aus?
Die Personalsuche ist ein sensibles Thema. Viele Existenzgründer*innen sorgen sich angesichts des aktuellen Fachkräftemangels, geeignete Mitarbeiter*innen zu finden. Oft ist es so, dass das Praxisteam den Patient*innen eine schöne Umgebung bieten und auch selbst in modernen Räumlichkeiten arbeiten möchte. Mit einer modernen Praxis bieten sich also sehr gute Möglichkeiten, neues Personal zu finden.
Der Grundriss sollte genauso wie die Einrichtung und Geräte zur persönlichen Arbeitsweise passen, um optimale Workflows zu ermöglichen.
Worauf sollte ich denn achten, wenn ich Räumlichkeiten für meine Praxisgründung suche?
Der Grundriss sollte genauso wie die Einrichtung und Geräte zur persönlichen Arbeitsweise passen, um optimale Workflows zu ermöglichen. Beispielsweise sind je nach Spezialisierung zusätzliche Zimmer erforderlich. Möchte man etwa auch größere Eingriffe vornehmen, sollte Platz für eine Schleuse, einen entsprechend ausgestatteten Eingriffsraum und einen Aufwachraum eingeplant werden. Es empfiehlt sich außerdem, bei der Auswahl der passenden Immobilie an die Zukunft zu denken und spätere Erweiterungsmöglichkeiten der Praxis zu prüfen. Ein kostspieliger Umzug der auf Dauer oft nicht vermieden werden kann, wie es oft bei der Übernahme der Fall ist, sollte bei einer Neugründung absolut vermieden werden.
Einen Gedanken wert sind übrigens auch die zu erwartenden Energiekosten. Denn hier lohnt sich der Vergleich zwischen einem Neubau und einer Bestandspraxis. Zwar ist die Miete in einem Neubauobjekt gegebenenfalls etwas höher, dafür habe ich aber höchstwahrscheinlich sehr viel niedrigere Energiekosten – gerade auch in Anbetracht steigender Strom- und Gaspreise.
Welchen Tipp möchten Sie Praxisgründer*innen mit auf den Weg geben?
Was einen ungemein großen Anteil ausmacht, ist die Vorfreude, in Eigenregie etwas zu erschaffen. Das beflügelt regelrecht und gibt einen riesigen Motivationsschub, das erlebe ich immer wieder mit. Und alle sagen mir hinterher, dass die Sorgen und schlaflosen Nächte im Vorfeld auf keinen Fall berechtigt waren. Die Zahnarztpraxis kommt sehr oft sehr viel schneller ans Laufen als gedacht.
Häufig rüsten viele meiner Existenzgründer*innen schon nach sehr kurzer Zeit zusätzliche Zimmer aus, die vorher nur geplant und vorbereitet waren. Grundlage für einen schnellen und gesunden Start einer Praxis ist immer auch ein gut ausgearbeitetes Marketingkonzept. Deshalb ist es unerlässlich, bei der Finanzierung hier auch einen entsprechenden Betrag zu berücksichtigen. Ich rate, das Praxismarketing in professionelle Hände zu geben, die den ganzen Prozess auf Dauer auch sinnvoll weiter unterstützen und begleiten. Mit einer sorgfältigen Planung und einer durchdachten Strategie steht einem erfolgreichen Start der Zahnarztpraxis nichts mehr im Weg.
Vielen Dank für das Gespräch!
NWD
Tel.: +49 (0) 251 / 7607-372
praxisstart@nwd.de
www.nwd.de/praxisstart
Bilder: NWD
Text: NWD
Erstveröffentlichung in der DZW am 27.10.2021