Okklusale Karies und ihre Auswirkungen schaden der Zahngesundheit unserer Patienten erheblich. Die wirksamste Prävention vor der weltweit häufigsten chronischen Kinderkrankheit1 ist der Schutz der verletzlichen Zahnflächen vor kariogenen Bakterien und nach dem Kauen auf den Zähnen verbliebenen fermentierbaren Kohlenhydraten. Dazu eignet sich am besten eine physikalische Barriere, das heißt eine Versiegelung der Fissuren.2
Dr. Fay Goldstep Zahnärztin, Autorin und Referentin. Sie hält national und international Vorträge zu präventiver/minimalinvasiver Zahnmedizin, Weichgewebslasern, elektronischer Kariesdiagnostik, ganzheitlicher Zahnmedizin und Innovationen in der Zahnhygiene.Sie berät verschiedene Dentalunternehmen und praktiziert in Toronto, Kanada.
Jahrelang suchte die Zahnmedizin nach substanzschonenden, minimalinvasiven Konzepten zum Schutz von Grübchen und Fissuren. Dr. Michael Buonocore regte 1955 an, Karies durch Fissurenversiegelung mit einem adhäsiven Kunststoff vorzubeugen. Geeignete Materialien entstanden aber erst später, und Buonocore publizierte dann 1967 einen weiteren Artikel zu Fissurenversieglern.3
Die ersten bleibenden Molaren sind der Grundstein für die Entwicklung der Erwachsenenzähne. Häufig brechen erste bleibende Molaren schon durch, bevor Patient und/oder Eltern sich dessen bewusst sind. Teilweise durchgebrochene erste bleibende Molaren sind in der Eruptionsphase sehr schwer kariesfrei zu halten. Erst nach zwölf bis 18 Monaten sind sie ganz durchgebrochen und zusammen mit den vorhandenen Zähnen des Bogens in Okklusion.4 Prämolaren erreichen in nur drei bis sechs Monaten die volle okklusale Höhe.
Glasionomerversiegler und Oberflächenschutz 1. Unreifer, frisch durchgebrochener Schmelz besteht aus leicht löslichem Carbonatapatit. 2. GI werden als dünner Film auf freien oder vom Operculum bedeckten Schmelz aufgetragen. 3. GI bilden eine semipermeable Membran, also eine „Haut“, die Ca und PO4 aus dem Speichel in den Schmelz diffundieren lässt … 4. … Ca und PO4 reagieren mit dem vom GI abgegebenen F zu Fluorapatit, der den Schmelz kariesresistenter macht.
In dieser Zeit sind erste bleibende Molaren wegen ihrer geringen Höhe für die Patienten schwer mit der Zahnbürste zu erreichen und zu reinigen, wenn sie sich nicht große Mühe geben. Das ist aber bei kleinen Kindern eher unwahrscheinlich. Die Okklusalfläche wird also nur selten geputzt und ist häufig mit Plaque und Nahrungsresten im niedrigen pH-Bereich bedeckt.5 Noch problematischer wird es, falls der Zahn längere Zeit vom Operculum (Gewebelappen über durchbrechendem Zahn) bedeckt bleibt. Aufgrund dieser Faktoren kann bis zum vollen Zahndurchbruch die Okklusalfläche oft schon kariös sein.5
Fissurenversiegler müssen den behandelten Bereich gut abdichten, die Zahnfläche kariesresistent machen und einfach anzuwenden sein.6 Dass Versiegler ein wirksames präventives Mittel gegen okklusale Karies sind, ist gut dokumentiert.7 Am häufigsten werden Komposite verwendet. Sie versiegeln Grübchen und Fissuren durch mikromechanische Retention mittels Kunststoffzapfen im angeätzten Schmelz.
Eine Verunreinigung der Zahnfläche mit Speichel kann aber die Bildung dieser Zapfen leicht zunichtemachen und so letztendlich zum Versagen des Versieglers führen.8 Weniger feuchtigkeitsempfindlich als die hydrophoben Komposite sind die hydrophilen Glasionomere (GI). Sie eignen sich daher im feuchten Milieu der Mundhöhle als einfacher anwendbare Alternative zu Kompositen.9
Kompositversiegler haben eine höhere Retention an Grübchen und Fissuren als GI-Versiegler. Bei einem Versagen der Retention verlieren Komposite aber nachweislich fast ihre gesamte Schutzwirkung.10,11 Dagegen bleiben bei GI noch kleine Mengen in situ, selbst wenn das Material klinisch teilweise oder ganz verloren scheint. In tieferen Fissurenbereichen halten sich nämlich Materialreste, weil GI chemisch an den Zahn gebunden ist, und so bleibt ein gewisser Versiegelungseffekt erhalten.6 Die Reste bilden eine Barriere gegen Bakterien und fördern zudem durch Fluoridabgabe die Remineralisation.10,11
*Abb. 1a: Ein durchbrechender unterer erster Molar wird mit GC Fuji TRIAGE versiegelt. Der Zahn vor der Behandlung.*
*Abb. 1b: Der Molar wird mit Bimsstein professionell gereinigt und gründlich gespült.*
*Abb. 1c: Mit 37 %iger Phosphorsäure wird fünf Sekunden angeätzt.*
*Abb. 1d: Gründlich spülen. Überschüssiges Wasser wird entfernt.Der Zahn sollte noch feucht sein.*
*Abb. 1e: Mit der GI-Kapsel wird leicht gegen eine harte Oberfläche geklopft, um den Inhalt zu lockern.*
*Abb. 1f: Zur Aktivierung wird der Kolben in die Kapsel gedrückt.*
*Abb. 1g: Die Kapsel wird in den Applikator gegeben und durch einen Klick zusätzlich aktiviert.*
*Abb. 1h: Der Kapselinhalt wird im Mischgerät zehn Sekunden gemischt.*
*Abb. 1i: Die Kapsel wird in den Applikator gegeben, und dieser wird so lange betätigt, bis Paste austritt. Die Paste wird auf den vorbereiteten Zahn appliziert.*
*Abb. 1j: Wenn das Material nicht mehr glänzt, wird ein Tropfen GC Fuji COAT LC appliziert und gehärtet. Die fertige Versiegelung wird kontrolliert.*
In den meisten Studien ist „Retention des Versieglers“ der Endpunkt für die Effektivität von Fissurenversieglern. Viele Studien setzen auch nur einen völlig intakten Versiegler (keinen ganz oder teilweise verlorenen) als Kriterium für wirksame Kariesprävention und klinischen Erfolg voraus.12 Nach Literaturanalysen ist die Retentionsrate jedoch nicht aussagekräftig für den klinischen Erfolg.12 Die Leistungsfähigkeit von Versieglern bei der Kariesprävention sollte also nicht daran gemessen werden. Zwei Literaturanalysen zufolge10,11 sind Komposite und GI in der Kariesprävention bei Kindern ähnlich effektiv. Wichtiger für die Produktwahl sind also wohl Anwenderfreundlichkeit, Feuchtigkeitskontrolle und Patientencompliance. 13 Hydrophobe Kompositversiegler sind nicht die beste Lösung für erste bleibende Molaren, weil diese längere Zeit nur teilweise durchgebrochen sind und sich so nicht einwandfrei trockenlegen lassen.5 Und mangelhafte Versiegelungen mit Komposit können nachweislich undicht werden, sodass sich darunter unbemerkt Karies entwickelt.14
Viele Zahnärzte versiegeln Fissuren nicht mehr mit Komposit; unter misslungenen Versiegelungen finden sich einfach zu viele böse Überraschungen – große kariöse Läsionen, die sich über lange Zeit ungestört ausbreiten konnten. Kompositversiegler blockieren zudem die Einlagerung von Fluorid, Calcium, Phosphat und anderen Mineralien aus dem Speichel in die untermineralisierte unreife Zahnfläche.5 Schmelz braucht für die vollständige Mineralisation fast drei Jahre. Ist er in dieser Zeit mit Komposit versiegelt, so reift er nur unvollständig und ist anfälliger für Demineralisation bei niedrigen pH-Werten.15
Glasionomere haben bei der Fissurenversiegelung mehrere große Vorteile gegenüber Kompositen, insbesondere bei teilweise durchgebrochenen Zähnen. Hier ein Überblick:5 - GI sind hydrophil und binden sich im feuchten Milieu chemisch an die Zahnsubstanz. Dies hilft gerade bei kleinen Kindern, bei denen die Isolation je nach Zahn und/oder Verhalten schwierig sein kann. Komposite haften nur mechanisch am Zahn. Dies erfordert eine perfekt isolierte, absolut trockene Zahnfläche. - GI und Komposite bilden eine bakteriendichte Barriere, aber GI können zusätzlich Fluorid abgeben und aufnehmen. GI haften an Schmelz und Dentin durch ionische und polare Bindungen.16 Dies sorgt für einen sehr engen Kontakt, bei dem Fluoridionen die Hydroxylionen im Hydroxylapatit des angrenzenden Schmelzes ersetzen, sodass festerer und säurebeständigerer Fluorapatit entsteht (siehe Grafik oben). - GI erlauben eine leichte Diffusion von Calciumund Phosphationen (zusätzlich zu den Fluoridionen) aus dem Speichel in den Zahn. Dies erleichtert eine schnelle, vollständige Mineralisation und Reifung der Schmelzfläche.
Die für Mineralien undurchlässigen Komposite stehen dagegen dem Ionenaustausch mit dem Zahn im Wege. GI sind porös, mit großen Zwischenräumen, durch die Calcium, Phosphat, Fluorid und andere Ionen diffundieren und so den Schmelz mineralisieren können.5 Unreifer, frisch durchgebrochener Schmelz besteht aus leicht löslichem Carbonatapatit. GI-Versiegler werden als dünner Film auf freien oder, bei teilweise durchgebrochenen Zähnen, vom Operculum bedeckten Schmelz aufgetragen. Sie bilden sozusagen eine semipermeable Membran, also eine „Haut“, die Calcium und Phosphat aus dem Speichel in den Schmelz diffundieren und mit dem abgegebenen Fluorid zu Fluorapatit reagieren lässt. Der so entstehende reife, mineralisierte Schmelz ist kariesresistenter (siehe Grafik oben).
Ein junger Patient erschien zu seiner Sechs-Monats- Kontrolle mit durchbrechenden ersten bleibenden Molaren in allen vier Quadranten. Angesichts seiner Kariesvorgeschichte und tiefer Grübchen und Fissuren auf den Kauflächen wurden alle durchbrechenden Zähne mit selbsthärtenden GI-Fissurenversieglern behandelt. GC Fuji TRIAGE (GC America), Farbe Weiß, wurde bei den unteren Molaren angewandt (Fall 1; Abb. 1a bis j), riva protect (SDI), Farbe Pink, bei den oberen (Fall 2, Abb. 2e bis g). Zur Illustration der Technik für diesen Artikel und für Fortbildungszwecke wurden hier verschiedene Produkte verwendet – beide sind in Weiß und Pink erhältlich.
Abb. 2e: Nach zehn Sekunden im Mischgerät wird die Kapsel in den Applikator gegeben, und dieser wird so lange betätigt, bis Paste austritt. Die Paste wird auf den vorbereiteten Zahn appliziert.
Abb. 2f: Mit einem Mikropinsel gelangt die Paste verlässlich in alle Grübchen und Fissuren.
Abb. 2g: Wenn das Material nicht mehr glänzt, wird ein Tropfen SDI riva coat appliziert und gehärtet. Die fertige Versiegelung wird kontrolliert.
Fissurenversiegelung ist eine exzellente präventive Zahnbehandlung. Sie wird aber zu selten genutzt, da bei Kompositversieglern die Isolation heikel ist und misslungene Versiegelungen mitunter unliebsame Überraschungen wie fortgeschrittene Karies bereithalten.
Glasionomerversiegler sind vorteilhafter; sie erleichtern die Isolation und erlauben die Einlagerung von Fluorid und anderen Mineralien in unreife Zähne. Die Fissurenversiegelung sollte als vorausschauender Schutz für unsere jungen Patienten wieder vermehrt Anwendung finden, nun aber mit patientenfreundlichen Glasionomeren.
Quellennachweise: www.nwd.de/aldente-literaturverzeichnis
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